Verfahren

Unternehmen sind in der Regel auf Dauer angelegt und der Lebenszyklus eines Unternehmens erstreckt sich, insbesondere bei Familienunternehmen, teilweise über mehrere Generationen. Jede Unternehmensphase weist spezifische Risiken und Chancen auf, so auch eine Unternehmenskrise. Eine Unternehmenskrise kommt nahezu in jedem Unternehmen bzw. Betrieb vor und ist für den Bestand des Unternehmens nur dann bedrohlich, wenn diese nicht erkannt wird und entsprechende Maßnahmen zur Behebung der Krise nicht oder nicht rechtzeitig eingeleitet werden. 

„Es muss ein gewisser Druck bestehen, damit Menschen die Energie aufbringen, sich umzustellen und eingefahrene Gewohnheiten abzulegen.“

Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest
Vorstand Ifo-Institut, München

Je frühzeitiger die Krise erkannt und Maßnahmen zur Bewältigung der sich abzeichnenden Krise initiiert werden, desto umfangreicher sind die Handlungsoptionen für die Geschäftsleitung.

Den Geschäftsleitern von Unternehmen, die einer Restrukturierung oder einer Sanierung bedürfen, stehen insgesamt fünf Verfahren zur Verfügung:

Die einzelnen Verfahren können grob wie folgt skizziert werden:

01
Freier Sanierungsvergleich

Freiwilliges nicht öffentliches Verfahren, initiiert durch das Unternehmen bzw. den Geschäftsleiter.

Voraussetzungen: Keine!

Wirkungen: Keine Einbindung eines Insolvenzgerichts!

  • Grundsätzlich ist die Zustimmung aller Gläubiger für einen Sanierungsvergleich erforderlich.
  • Dauerschuldverhältnisse gelten fort.
  • Keine Überwachung und Kontrolle der Geschäftsleitung durch externe Personen.
  • Es stehen keine gerichtlichen Sanierungsinstrumente bereit.
  • Ggf. Verbrauch von Liquidität für eine „geordnete“ (erfolgreiche) Sanierung.

Verfahrensdauer: unbestimmt!

02
Sanierungsmoderation

Mit dem am 1.1.2021 in Kraft getretenen Gesetz über den Stabilisierung- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) besteht die Möglichkeit für eine „Sanierungsmoderation“ nach §§ 94 ff. StaRUG.

Voraussetzungen:

  • Keine Zahlungsunfähigkeit und keine Überschuldung des Unternehmens.
  • Antrag des restrukturierungsfähigen Schuldners bzw. Unternehmens beim zuständigen Restrukturierungsgericht.

Wirkungen:

  • Freiwilliges und nicht öffentliches Verfahren.
  • Verfahrensherrschaft liegt beim Schuldnerunternehmen.
  • Kein Insolvenzverfahren!
  • Überwachung und Moderation des Verfahrens durch den vom Gericht bestellten unabhängigen Sanierungsmoderator.
  • Es stehen keine gerichtlichen Sanierungsinstrumente zur Verfügung.
  • Der angestrebte Sanierungsvergleich mit den Gläubigern kann gerichtlich bestätigt werden; dadurch kann Anfechtungssicherheit nach § 90 StaRUG erreicht werden.

Verfahrensdauer: ca. 3 bis 6 Monate.

03
Präventiver Restrukturierungsrahmen

Mit dem am 1.1.2021 in Kraft getretenen StaRUG besteht die Möglichkeit für ein teilkollektives Präventionsverfahren zur Vermeidung einer Insolvenz eines bestandsfähigen Unternehmens. 

Voraussetzungen:

  • Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht (Rechtshängigkeit), wenn gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden soll.
  • Der Schuldner muss bei Anzeige bzw. Antragstellung der sog. Stabilisierungsinstrumente  drohend zahlungsunfähig sein.
  • Mit der Anzeige sind bestimmte Unterlagen einzureichen und Angaben zu machen. 
  • Während der Rechtshängigkeit kann der Schuldner nach seiner Wahl einzelne oder alle Stabilisierungsinstrumente in Anspruch nehmen.
  • Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung dürfen während des Verfahrens nicht eintreten; ansonsten ist das Verfahren beendet.
  • Der Schuldner muss objektiv restrukturierungsfähig sein.

Wirkungen:

  • Freiwilliges Verfahren.
  • Verfahrensherrschaft liegt beim Schuldnerunternehmen.
  • Nur partielle gerichtliche Einbindung.
  • Kein Fremdantrag durch Gläubiger möglich!
  • Anders als im Insolvenzverfahren, kann der Schuldner das Restrukturierungsverfahren nicht öffentlich halten. Der Schuldner kann jedoch beantragen, dass die öffentliche Bekanntmachung erfolgen soll (§§ 84 ff.; ab 06.2022).   
  • Ruhen der Insolvenzantragspflicht mit Anzeige der Restrukturierungssache.  
  • Teilkollektives Verfahren, d.h., der Schuldner kann gezielt in die Forderungen einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen eingreifen, es muss nicht die Gesamtheit aller Gläubiger einbezogen werden. Dies ist ein grundlegender Unterschied zum Insolvenzverfahren.
  • Auf Antrag stehen Restrukturierungs- und Stabilsisierungsinstrumente (§§ 29 ff. StaRUG) zur Verfügung.
  • Kontrolle und Überwachung durch den vom Gericht (in bestimmten Fällen; vgl. §§ 73 ff. StaRUG) bestellten Restrukturierungsbeauftragten
  • Der Restrukturierungsplan kann unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich bestätigt werden; dadurch kann Anfechtungssicherheit nach § 90 StaRUG erreicht werden.
  • Keine verfahrensbezogenen Liquiditätseffekte möglich, wie bei einem Insolvenz- bzw. Eigenverwaltungsverfahren (vgl. hierzu Ausführung zum Verfahren 04).

Im Einzelnen können folgende Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte von Gläubigern möglich sein:

  • Regelungen zum Erlass oder der Stundung von Forderungen.
  • Vollstreckungsperre (temporär).
  • Neue Finanzierungen (Warenkredite, Sachdarlehen) die für die Restrukturierungsplanung erforderlich sind; Anfechtungsschutz möglich.
  • Eingriff in Eigentumsrechte der Gesellschafter möglich, d.h., Umwandlung von Restrukturierungsforderungen in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte (Debt Equity-Swap) mittels Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung und einem Bezugsrechtsauschluss der Altgesellschafter und anschließender Anteilsübernahme gegen Sacheinlage und Haftungsausschluss.
  • Gestaltung von Forderungen Dritter, für die z.B. Tochterunternehmen als Bürge haften.
  • Abänderung von Coveanants (sog. Vereinbarung zur Einhaltung bestimmter Kennzahlen), sodass die Durchsetzung von Forderungen angepasst wird.
  • Einschränkung oder Aufschub der Verwertung von Sicherungsrechten.
  • Abänderung von Sicherheitenpoolverträgen.
  • Änderung der Rangfolge der Befriedigung absonderungsberechtigter Gläubiger.

Verfahrensdauer: ca. 6 bis 12 Monate.

04
Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren

Gerichtliches und damit öffentliches Verfahren i.S.e. Eigensanierungsplans im Rahmen einer Eigenverwaltung (§270b InsO) oder eines Schutzschirmverfahrens (§270d InsO) für eine durchgreifende operative und finanzielle Sanierung des Schuldnerunternehmens.

Voraussetzungen (Auszug; ohne Sonderregelung für COVID-19-Unternehmen):

  • Bei Eigenverwaltung: Überschuldung und/oder (drohende) Zahlungsunfähigkeit.
  • Bei Schutzschirmverfahren: Überschuldung oder drohende Zahlungsunfähigkeit. 
  • Insolvenzantrag und Antrag auf Eigenverwaltung oder Schutzschirm.
  • Eigenverwaltungsplanung, aus der sich die (finanzielle) Fortführungsfähigkeit für die nächsten 6 Monate ergibt.
  • Konzept für die Durchführung der Eigenverwaltung.
  • Eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.
  • Abgabe von Erklärungen nach § 270a Abs. 2 InsO  zum Rückstand von Verbindlichkeiten, zu Vollstreckungssperren in den letzten 3 Jahren sowie zu handelsrechtlichen Offenlegungspflichten).

Wirkungen:

  • Verfahrensherrschaft liegt bei dem gerichtlich bestellten Sachwalter und dem Gläubigerausschuss. 
  • Haftung der Geschäftsleiter; auch in der vorläufigen Eigenverwaltung.

Liquiditätshilfen, Liquiditätsgenerierung durch:

  • Insolvenzgeldzahlungen für 3 Monate an die Arbeitnehmer durch die Bundesagentur für Arbeit.
  • Nichtbedienung von Altverbindlichkeiten.
  • Wegfall von Nachrangforderungen.
  • Verkürzte Kündigungsfristen bei allen Dauerschuldverhältnissen.
  • Verkürzte Kündigungsfristen bei Arbeitsverträgen.
  • Sozialplanvolumen deutlich liquiditätsschonender.
  • Zahlung eines Bruchteils von ungesicherten Forderungen.
  • Anfechtung und Rückforderung von Zahlungen vor dem Insolvenzantrag möglich.
  • Anfechtung und Rückforderung  von Zahlungen an Sozialkassen und (Finanzamt) nach Antragstellung und vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. 

Verfahrensdauer: ca. 4 bis 8 Monate

05
Regelinsolvenzverfahren und
Insolvenzplanverfahren

Voraussichtlich die letzte Phase in der Entwicklung eines Unternehmens.

Das Regelinsolvenzverfahren stellt auf die Liquidation des Unternehmens und die Befriedigung der Gläubiger aus den erzielten Zerschlagungserlösen ab. Davon zu unterscheiden ist das Insolvenzplanverfahren, welches (zunächst) die Fortführung des Unternehmens zum Ziel hat. Hier unterscheidet man zwischen a) dem Liquidationsplan, b) dem Eigensanierungsplan und c) dem Plan zur übertragenden Sanierung. Mischformen des Insolvenzplans sind denkbar und kommen auch in der Praxis vor.

Bei einem Liquidationsplan ist das Ziel die Zerschlagung des Unternehmens und die Verwertung der Insolvenzmasse zur Befriedigung der Gläubiger. Der Unterschied zum Regelinsolvenzverfahren besteht i. d. R. in der vorübergehenden Fortführung des Unternehmens zur Verbesserung der Verwertungssituation. Ein Eigensanierungsplan zielt auf die Fortführung des Unternehmens und die Befriedigung der Gläubiger aus künftigen Erträgen ab. Bei einem Plan zur übertragenden Sanierung soll der Erhalt des Unternehmens durch Übertragung des Unternehmens auf einen Dritten gewährleistet werden. Die Befriedigung der Gläubiger erfolgt sodann aus dem erzielten Kaufpreis.

Die Verfahrensherrschaft liegt bei dem gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter.

Verfahrensdauer: ca. 4 bis 9 Monate, abhängig vom jeweiligen Einzelfall.

Welches Verfahren wann zur Anwendung kommen sollte, hängt von dem jeweiligen Einzelfall und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Im Zustand drohender Zahlungsunfähigkeit stehen dem Unternehmen sowohl das StaRUG als auch die ESUG-Verfahren (Eigenverwaltung oder Schutzschirmverfahren) zur Verfügung. Die Wahl der richtigen Entscheidung wird davon abhängen, über wie viel Liquidität die Unternehmung verfügt, wie die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Gestaltung von Rechtsverhältnissen eingeschätzt werden und welche Maßnahmen für eine umfassende operative und finanzielle Restrukturierung zwingend erforderlich sind.

Für eine detaillierte Erläuterung und Abgrenzung der Verfahrensarten stehen wir gerne in einem persönlichen Gespräch zur Verfügung. Unsere Berater sind für die Beratung in den Sanierungsverfahren vom Deutschen Institut für angewandtes Insolvenzrecht, Bonn, zertifiziert. Sprechen Sie uns an!

Widerstehen Sie der Versuchung, eine Unternehmenskrise durch private Finanzmittel oder Darlehen hinauszuzögern ohne die Krisenursache anzugehen!

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